Gemeinderatsitzung vom 30.01.23 > Haushaltsrede von Klaus Pietsch

Problematische Haushaltsentwicklung

Defizitärer Ergebnishaushalt und Investitionstätigkeit führen zu stark wachsenden
Schuldenstand in den kommenden Jahren

Rücklagen werden in den kommenden beiden Jahren komplett aufgebraucht

Der Bürgermeister hat in seiner Neujahrsansprache mitgeteilt, dass Brühl nach Realisierung
des Sportparks Süd und dem Verkauf des Areals am Schrankenbuckel mit 12,2 Mio Euro
wieder über Rücklagen wie vor dem Bauvorhaben verfügt. Dazu fließen jährlich zusätzlich
100.000,- Euro Erbpachtgebühren in den Haushalt
Das klingt sehr erfreulich und lässt einen soliden Haushalt vermuten.
Beim genaueren Blick auf den Haushaltsplan offenbaren sich aber deutliche Probleme. Die
hohen Rücklagen sind Ergebnis des Grundstücksverkaufs am Schrankenbuckel. Darüber
hinaus sind im Jahr 2022 Gelder für bereits fest geplante Investitionen nicht abgeflossen. Die
Rücklagen sind nur eine temporäre Bilanzerscheinung, sie sind bereits komplett verplant.
Daneben wird die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen immer größer, wir bauen also
ein wachsendes Defizit auf.
Hinzu kommen Faktoren allgemeiner politischer Natur. Ich schaue hier auf den Krieg in der
Ukraine. In der Folge treffen die inflationären Entwicklungen auch Brühl. Projekte
verteuern sich, die Personalkosten steigen und wachsende Flüchtlingszahlen fordern uns
verstärkt heraus. Völlig unklar sind auch die künftigen Kosten für den Klimaschutz. Hier wird
noch einiges auf uns zukommen.
Werfen wir einen Blick auf die Planzahlen des Ergebnishaushalts für das Jahr 2023:
Der Ergebnishaushalt 2022 weist ein Minus von rund 2,5 Mio Euro (incl. Zinsaufwendungen)
auf. Für das Jahr 2023 wird ein Defizit von 4,64 Mio Euro erwartet. Die Schere zwischen
Einnahmen und Ausgaben driftet also noch weiter auseinander. Es offenbart sich hier ein
strukturelles Problem. Auf Seite 12 des Haushaltsplans wird relativierend vom sog. „Prinzip
des vorsichtigen Kaufmanns“ gesprochen. Soll bedeuten, dass die Vorlage nur eine
Prognose darstellt und die tatsächlichen Ergebnisse dann häufig auch mal besser ausfallen
als prognostiziert, so die Aussage. Nennen wir es einfach mal das „Prinzip der Hoffnung“
und werfen einen kurzen Blick auf die wesentlichen harten Fakten des 600 Seiten starken
Zahlenwerks.
Die ordentlichen Erträge steigen um 1,1 Mio auf ca. 38,6 Mio Euro. Allerdings steigen auch
die Aufwendungen um 4,6 Mio auf ca. 43,2 Mio Euro. Somit steigt das Defizit auf nun also
4,64 Mio Euro. Zitiert man in diesem Zusammenhang die Kämmerer aus einem
vorausgegangenen Haushaltsplan, “ sollte ein gesunder Haushalt einen Überschuss
erwirtschaften, der dann zur Finanzierung von Investitionen zur Verfügung steht“. Im
Umkehrschluss müsste ich also konstatieren, wir haben keinen gesunden Haushalt.
Zumindest ist er, sinnbildlich gesprochen, bereits infektiös.
Die Transferaufwendungen steigen Im Vergleich zum Vorjahr um ca. 1,4 Mio Euro auf
nunmehr 18,35 Mio Euro. Bedingt durch die höhere Steuerkraftsumme steigt, trotz des
leicht abgesenkten Hebesatzes, allein die Kreisumlage um rund 0,5 Mio Euro. In gleicher
Höhe steigt auch die FAG-Umlage. Hier hat die Gemeinde leider keine eigene
Steuerungsmöglichkeit.
Die Personal- und Versorgungskosten, zweitgrößter Kostenfaktor im Haushalt, steigen von
zuletzt knapp 11 Mio auf nunmehr gut 12 Mio Euro. Eine besondere Rolle spielen hier u.a.
auch die Kosten für die steigende Anzahl der Beschäftigten im Bereich der
Kinderbetreuung, die wegen der gesetzlichen Verpflichtungen erforderlich sind. Dieser
Kostendruck wird durch Landeszuweisungen leider nur teilweise aufgefangen. Hier würden
sich die Freien Wähler deutlich mehr Unterstützung wünschen. Die Bebauung am
Schrankenbuckel erfordert übrigens durch die erhoffte Ansiedlung von Familien mit
Kindern weitere Betreuungskapazitäten. Abzuwarten bleibt auch wie sich die
Inflationsentwicklung auf das Ergebnis der Tarifverhandlungen auswirkt. Hier sind, rein
haushaltstechnisch gesehen, böse Überraschungen nicht auszuschließen.
Weiter negativ entwickeln sich auch die Abschreibungen. Sie steigen um rund 0,5 Mio Euro
auf ca. 3,2 Mio Euro an. Dies resultiert im Wesentlichen auf dem Sportpark Süd. Mit den
weiteren Großprojekten wie das Kinderzentrum auf dem Schillerschulareal oder dem
sozialen Wohnungsbau im Gebiet Bäumelweg Nord, beides Projekte die die Freien Wähler
als Investition in die Zukunft ausdrücklich unterstützen, wird dieser Kostenfaktor den
Haushalt dennoch weiter belasten.
Um der defizitären Haushaltssituation gerecht zu werden, mussten in den letzten beiden
Jahren leider eine Reihe von Steuer- und Gebührenerhöhungen vorgenommen werden. Vor
dem Hintergrund der eingangs erwähnten Gesamtentwicklungen sehen wir hier aber im
Kern das „Ende der Fahnenstange“ erreicht. Weitere Belastungen sind aus unserer Sicht
den Menschen in Brühl nicht mehr zumutbar. Dies gilt ganz besonders für Familien mit
Kindern.
Die Erschließung anderer Einnahmequellen wäre grundsätzlich zu begrüßen. Ausdrücklich
ausgenommen ist für die Freien Wähler hierbei aber eine Verpachtung von Gelände zum
Zwecke des Betreibens einer Geothermieanlage. Das wird es mit uns in Brühl nicht geben.
Die Lösung zur Verbesserung des defizitären Ergebnishaushalts kann für uns im
Wesentlichen nur durch Kostenreduzierungen und eine Beschränkung der Investitionen auf
unabweisbare Projekte“ erreicht werden. Sog. „nice to have Ausgaben“, wie zumindest
teilweise beim Sportpark Süd geschehen, können wir uns schlicht nicht mehr leisten. Um
jedes Missverständnis zu vermeiden, wir stehen nach wie vor uneingeschränkt für die
Förderung unserer Vereine, die wir als wesentliche Träger des sozialen und kulturellen
Lebens in unserer Gemeinde sehen. Eine vernunftorientierte Betrachtung jeden Einzelfalls
schließt das aber nicht aus.
Lassen Sie mich noch einige wenige Worte zum Finanzhaushalt sagen:
Wir starten in das Jahr 2023 mit einem Schuldenstand von ca. 5,3 Mio Euro, der sich zum
Jahresende durch Tilgung noch einmal temporär auf ca. 3,3 Mio Euro reduzieren wird.
Bedingt durch die große Investitionstätigkeit der Gemeinde und den Ausgleich des
defizitären Ergebnishaushaltes ändert sich dieses Bild schon im Verlauf der kommenden
beiden Jahre sehr drastisch.
Konkret stellt das Kämmereiamt auf Seite 34 fest, „dass innerhalb von zwei Jahren
sämtliche Geldreserven der Gemeinde, also auch die Einnahmen aus dem Verkauf des
Geländes am Schrankenbuckel, verbraucht sein und dann Kredite aufgenommen werden
müssen“. Dokumentiert wird diese Aussage durch die prognostizierte Schuldenentwicklung
auf Seite 39. Nach ca. 3,3 Mio am Jahresende 2023, steigt der Schuldenstand von 5,3 Mio
(2024), über 10,9 Mio (2025) auf schließlich 12,4 Mio im Jahr 2026 an. Über
Reserven/Rücklagen verfügt die Gemeinde nach Sachlage dann nicht mehr. Der
Zahlungsmittelbestand reduziert sich spätestens ab 2025 auf die gesetzlich
vorgeschriebene Mindestliquidität von 639.200,- Euro.
Die Entwicklung gibt erheblichen Anlass zur Sorge. Schon jetzt, ich zitiere unsere Kämmerer
(siehe Seite 30 des Haushaltsplans), „könnte sich unsere Gemeinde ohne den
außerordentlichen Überschuss aus dem Jahr 2022 nicht finanzieren“. Gemeint ist damit der
Verkauf des Geländes am Schrankenbuckel. „Grundstücksverkäufe sind“, so der vorliegende
Haushaltsplan, “ aber keine geeignete Dauerlösung zur Gemeindefinanzierung“. Dem
können wir uns uneingeschränkt anschließen.
Gleichzeitig sind Projekte wie beispielsweise der soziale Wohnungsbau oder das
Kinderzentrum auf dem Gelände der Schillerschule wichtige und richtige Entscheidungen
für die weitere Gemeindeentwicklung. Andererseits hätte man den Sportpark Süd, so
beeindruckend er auch sein mag, auch in anderer Form umsetzen können. Immerhin
verursacht er jährlich erhebliche Unterhalts- und Abschreibungskosten. Wir dürfen wohl
von knapp 1 Mio Euro/Jahr ausgehen, die nicht einmal ansatzweise von Pacht- und
Erbpachteinnahmen gedeckt werden.
Wir stehen in der weiteren Zukunft mehr denn je in der Pflicht die Gemeinde wirtschaftlich
handlungsfähig zu halten. Dies erfordert Augenmaß bei der Planung weiterer Projekte. Das
sind wir auch aus Gründen der Generationengerechtigkeit der heutigen Jugend schuldig. Die
Freien Wähler werden deshalb die Entwicklung weiterhin kritisch, aber auch konstruktiv
begleiten.
Zum Abschluss möchte ich mich im Namen unserer Fraktion, stellvertretend für alle
Beschäftigten des Kämmereiamts, bei Herrn Willemsen und Herrn Zorn für die professionelle
und fundierte Erstellung des Haushaltsplans 2023 bedanken. Mein ganz besonderer Dank
geht an Klaus Zorn, der wegen seines baldigen Ruhestands letztmalig maßgeblich mitgewirkt
hat. Danke Klaus für die jahrelange ausgezeichnete Arbeit im Kämmereiamt und die
vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Der Haushaltsplan ist nachvollziehbar und wir stimmen der Vorlage deshalb, aber unter
ausdrücklichen Hinweis auf unsere kritischen Anmerkungen, zu. Es kommen leider
schwierige wirtschaftliche Zeiten auf die Gemeinde zu.

Link zum Download:

Haushaltsrede Klaus Pietsch 300123

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